Die wirtschaftliche Lage von Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft hat sich einer Umfrage zufolge vorerst nicht weiter verschlechtert. Dennoch steht die Branche vor großen Herausforderungen. Um die Versorgungssicherheit aufrechtzuhalten, ist eine angemessene Finanzierung dringend geboten.
Für das „Vierte Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ hat die SozialGestaltung im Auftrag der SozialBank im Zeitraum vom 4. April bis 5. Mai 2024 ausgewählte Vertreter*innen von über 1.800 Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitswesen befragt. Themen waren die aktuelle wirtschaftliche Lage, die gegenwärtigen Herausforderungen, Investitionsanlässe und die Auswirkungen von gesetzlichen Reformbestrebungen. Etwa die Hälfte der Befragten (51,4%) gibt an, dass die wirtschaftliche Situation des Gesamtunternehmens in den nächsten sechs Monaten als „angespannt“ oder „sehr angespannt“ empfunden wird. Immerhin scheint der Abwärtstrend gestoppt. Beim dritten Trendbarometer von November 2023 waren dies noch 82%. Erstmals seit Beginn des Trendbarometers im September 2022 hat sich die Einschätzung der Träger nicht weiter verschlechtert. Dennoch liegen die Aussichten deutlich unter den Werten von 2022 und Anfang 2023. So erwartet weiterhin fast die Hälfte der Befragten (46%) für das Jahr 2024 ein negatives Jahresergebnis.
Vergütungsverhandlungen zählen zu den größten Herausforderungen
Die Ergebnisse zeigen ebenfalls deutliche Herausforderungen bei den Vergütungsverhandlungen mit den Kostenträgern auf. Erstmals werden diese neben dem Fachkräftemangel und personalbedingten Belegungsrückgängen als eine der größten Schwierigkeiten genannt. Etwa die Hälfte der Befragten geht davon aus, in der nächsten Verhandlungsrunde keine Vergütungssteigerungen von über sechs Prozent erreichen zu können. Die wirtschaftliche Lage von Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft hat sich einer Umfrage zufolge vorerst nicht weiter verschlechtert. Dennoch steht die Branche vor großen Herausforderungen. Um die Versorgungssicherheit aufrechtzuhalten, ist eine angemessene Finanzierung dringend geboten.
Das dritte Trendbarometer zeigte, dass in der Vergangenheit die verhandelten Vergütungssteigerungen der hohen Inflation und den gestiegenen Personalkosten hinterherhinkten. Mit den nun erwarteten Vergütungssatzerhöhungen können die dadurch entstandenen wirtschaftlichen Defizite weiterhin nicht kompensiert werden. „Es liegt an den Kostenträgern, eine ausreichende Finanzierungsgrundlage für die Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft sicherzustellen“, sagt Susanne Leciejewski, Geschäftsführerin der SozialGestaltung. „Nur so können die soziale Infrastruktur und damit die Versorgungssicherheit der Bevölkerung langfristig aufrechterhalten werden.“
Steigende Personalkosten sollten vollständig refinanziert werden.
Soziale Leistungserbringer stehen zusätzlich vor der Herausforderung, eine Vielzahl von Gesetzesreformen in den Bereichen Personal, Nachhaltigkeit und Digitalisierung gleichzeitig umzusetzen. Die Ergebnisse zeigen, dass dies den Einsatz zusätzlicher Vollzeitkräfte erfordert. In der Praxis müssen deren Personalkosten häufig aus Eigenmitteln finanziert werden. Obwohl in den Vergütungsverhandlungen mit den Kostenträgern auch Personalkosten für Verwaltung, Organisation und sonstige Stabsstellen verhandelt werden können, scheitern solche Vorhaben in der Praxis oft an mangelnder Zahlungsbereitschaft der Kostenträger. Um die Wirtschaftlichkeit der sozialen Organisationen nicht zu gefährden, ist es entscheidend, dass auch solche Personalkosten vollständig und unbürokratisch refinanziert werden.
„Fast die Hälfte der Befragten erwartet für das Jahr 2024 ein negatives Jahresergebnis.“
Bei 94% der Befragten liegt der Investitionsschwerpunkt für das Jahr 2024 im Bereich des Personals. „Angesichts begrenzter finanzieller Mittel besteht die Gefahr, dass andere wichtige Investitionsbereiche wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit vernachlässigt werden“, sagt Susanne Leciejewski. Es ist entscheidend, dass soziale Organisationen langfristig bestehende Investitionsstaus auch in diesen Bereichen überwinden können, um ihre Geschäftsmodelle zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Nur so können soziale Organisationen die Vorreiterrolle in Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen, die von ihnen erwartet wird.
Investoren sind weiterhin zurückhaltend
Der Transaktionsmarkt zeigt sich weiterhin verhalten, was sich in weniger geplanten Übernahmen und Ankäufen widerspiegelt. Um die Transaktionsaktivität zu fördern und das erforderliche Kapital in die Märkte zu mobilisieren, sollte das Vertrauen der Investoren in die wirtschaftliche Stabilität der sozialen Unternehmen gesteigert werden. Denn ohne privates Kapital werden die Herausforderungen im Bereich der Investitionen nicht bewältigt werden können.
Die Ergebnisse unterstreichen die Dringlichkeit, dass politische Entscheidungsträger und Kostenträger eine angemessene Finanzierung für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft sicherstellen müssen. Auf der anderen Seite ist es für Leistungserbringer erforderlich, effiziente und schlanke Organisationsstrukturen aufzubauen, Expertise, Ressourcen und Know-how zu teilen, Verhandlungskompetenzen gegenüber den Kostenträgern zu stärken und die Angebotsstrukturen weiterzuentwickeln. In diesem Prozess kann professionelle Beratung unterstützend wirken.
Download der Studienergebnisse zum 4. Trendbarometer der Sozial- und Gesundheitswirtschaft:
https://www.sozialbank.de/news-events/publikationen/bfs-trendbarometer
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Markus Sobottke
Teamleitung Research
E-Mail: m.sobottke@sozialgestaltung.de
Lisa Scharf
Beraterin Research
E-Mail: l.scharf@sozialgestaltung.de