
Die Europäische Union (EU) hat in den letzten Jahren eine Reihe von Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung eingeführt, die Unternehmen dazu verpflichten, ihre ökologischen, sozialen und Governance-bezogenen (ESG) Aktivitäten transparent darzulegen. Zu den zentralen Regelwerken zählen die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die EU-Taxonomie-Verordnung. Sie zielen darauf ab, nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, Transparenz im Hinblick auf die gesamte Wertschöpfungskette zu schaffen und Investoren sowie anderen Stakeholdern verlässliche Informationen bereitzustellen.
Doch Deutschland und sieben weitere EU-Mitgliedstaaten haben die CSRD bisher nicht in nationales Recht umgesetzt. Wie geht es vor diesem Hintergrund weiter mit den Berichtspflichten und was bedeutet das für das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft?
Aufschub in Deutschland erbeten
Im Dezember 2024 haben mehrere Bundesministerien der deutschen Bundesregierung ein Schreiben an die Europäische Kommission gerichtet, in dem sie eine Verschiebung und Vereinfachung der Berichtspflichten gemäß der CSRD um zwei Jahre, sowie eine Anhebung der Schwellenwerte für die betroffenen Unternehmen fordern. Im Januar 2025 hatte auch der Bundeskanzler in einem Brief an die EU-Kommissionspräsidentin eine Offensive zur Reduzierung von Berichtspflichten gefordert. Er betonte dabei die Notwendigkeit, bürokratische Belastungen für Unternehmen zu reduzieren und ihnen mehr Zeit für die Umsetzung zu gewähren.
Viele Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, begrüßen die Diskussion über einen Aufschub der CSRD, da die umfangreichen Berichtspflichten erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen binden. Zudem herrscht Unsicherheit bezüglich der konkreten Anforderungen und der praktischen Umsetzung der Richtlinie.
In der Sozial- und Gesundheitswirtschaft ist die Situation differenziert zu betrachten. Größere Organisationen, insbesondere Kliniken, Krankenhäuser und Komplexträger, sind bereits jetzt von der CSRD betroffen oder werden es in naher Zukunft sein. Die neuen Berichtspflichten erfordern von diesen Organisationen, Nachhaltigkeitsaspekte systematisch zu erfassen und offenzulegen. Dies stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, da der Fokus bisher primär auf medizinischen und pflegerischen Leistungen lag. Ein Aufschub könnte hier als Entlastung empfunden werden, um die notwendigen Kompetenzen, Prozesse und komplexen Datenstrukturen zu entwickeln.
Gleichzeitig stellt die Implementierung der CSRD eine Chance dar, Nachhaltigkeitsthemen stärker in den Vordergrund zu rücken. Viele Unternehmen stellen sich daher weiter der großen Herausforderung und verfallen nicht in Schockstarre. Denn eine aktive, vorausschauende Befassung mit den Risiken und Chancen der nötigen Transformation ist nicht nur ökologisch und sozial, sondern insbesondere ökonomisch sinnvoll und notwendig. So lassen sich beispielsweise durch Energieeffizienz-Maßnahmen bei Gebäuden und der Mobilität langfristig Kosten sparen.
Omnibus-Verordnung soll Anforderungen vereinfachen

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie soziale Akteure in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft haben wiederholt die Komplexität und den administrativen Aufwand der verschiedenen Berichtspflichten kritisiert. Vor diesem Hintergrund kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im November 2024 eine „Omnibus-Verordnung“ an. Am 26. Februar 2025 veröffentlichte nun die Europäische Kommission Vorschläge zur Bürokratieentlastung, darunter zwei Änderungsrichtlinien (Omnibus 1). Die Änderungsrichtlinie #1 betrifft Anpassungen an bestehende Richtlinien zur Abschlussprüfung, Bilanzierung und Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD, CSDDD). Die Änderungsrichtlinie #2 schlägt eine Verschiebung der CSRD- und CSDDD-Anwendungszeiträume vor.
Ziel ist die Bürokratieentlastung von Unternehmen und die Vereinfachung bei den Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Vorschläge müssen im Gesetzgebungsprozess zwischen EU-Ministerrat und EU-Parlament abgestimmt werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Omnibus-Richtlinie dann noch Änderungen erfährt.
Da es sich um EU-Richtlinien handelt, müssen EU-Mitgliedstaaten die Änderungen in nationales Recht umsetzen. Zudem plant die Kommission eine Überarbeitung des ESRS Set 1 innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Änderungsrichtlinie #1.
Diese soll die bestehenden und zukünftigen ESG-Berichtspflichten aus der CSRD, der CSDDD und der EU-Taxonomie-Verordnung bündeln und vereinfachen, um redundante und sich überschneidende Berichtsanforderungen zu reduzieren.
Kernpunkte der geplanten Änderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

- Höhere Schwellenwerte für große Unternehmen: Anhebung der Größenkriterien für berichtspflichtige Unternehmen auf 1.000 Mitarbeitende. Die Kriterien für die Umsatzerlöse (50 Mio. €) und Bilanzsumme (25 Mio. €) bleiben unverändert.Zeitliche Verschiebung der Berichtspflicht: Unternehmen, die ab 2025 berichtspflichtig gewesen wären, sollen einen Aufschub um zwei Jahre erhalten. Die erste Berichterstattung startet somit erst 2028 für das Geschäftsjahr 2027.
- Erleichterung im Rahmen der Kapitalmarktorientierung: Nicht-kapitalmarktorientierte und kapitalmarktorientierte Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden sind nicht berichtspflichtig. Dadurch würden 80 % der bisher CSRD-pflichtigen Unternehmen ausgenommen.
- Beschränkung der Wertschöpfungsketten-Berichtspflicht: Unternehmen müssen nur Informationen von CSRD-berichtspflichtigen Unternehmen entlang ihrer Wertschöpfungskette abfragen, die in einem freiwilligen Standard enthalten sind.
- Freiwillige Berichterstattung von KMU: Die EU-Kommission plant möglichst zeitnah die freiwillige Berichterstattung auf Basis des von EFRAG erarbeiteten „Voluntary SME-Standard“ (VSME) im EU-Recht zu verankern und allen nicht CSRD-betroffenen Unternehmen zur Anwendung zu empfehlen.
- Sektorspezifische ESRS-Standards ist aufgehoben: Die bereits mehrfach verschobenen sektorspezifischen ESRS-Standards sollen nun nicht mehr kommen.
- „Flexiblere“ Taxonomieangaben: Nur Unternehmen mit über 450 Mio. € Umsatz und mehr als 1.000 Mitarbeitende müssen Taxonomiekennzahlen verpflichtend offenlegen; für kleinere berichtspflichtige Unternehmen gilt eine flexiblere Handhabung.
- Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts: Ursprünglich vorgesehener Übergang von „Limited Assurance“ (begrenzte Sicherheit) zu „Reasonable Assurance“ (umfassendere Prüfung mit höherer Sicherheit) soll gestrichen werden, um steigende Prüfungskosten zu vermeiden. Leitlinien für die Prüfung sollen bis 2026 veröffentlicht werden.
- Unveränderte Kernanforderungen: Die CO2-Bilanzierung und das Wesentlichkeitskonzept bleiben als zentrale Nachhaltigkeitsanforderungen bestehen.
Nachhaltigkeit als Motor für Transformation in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft

Unabhängig davon, ob sich die Einführung der CSRD in deutsches Recht verzögert, ist die Anpassung an Nachhaltigkeitsstandards ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Organisationen, die Nachhaltigkeitsstandards frühzeitig und konsequent umsetzen, können langfristig wirtschaftlich davon profitieren. Nachhaltige Geschäftsmodelle unterstützen nicht nur den Klimaschutz, sondern führen auch zu besseren Risikobewertungen, besseren Kreditkonditionen und besseren Vertragsverhandlungen, zu Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels, und nicht zuletzt zu einer stärkeren Kundenbindung und Arbeitgeberattraktivität.
Auch wenn die Berichtspflicht gemäß CSRD in Deutschland noch nicht gesetzlich verankert ist, sind Banken in Deutschland dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsrisiken bei Kreditentscheidungen zu berücksichtigen. Qualitativ hochwertige ESG-Daten bilden die Grundlage, um die individuelle Risikosituation eines Kunden zu bewerten. Liegen keine individuellen Daten vor, setzt die Bank Durchschnittswerte der jeweiligen Branche an. Das kann sich negativ auf die Kreditkonditionen auswirken. Daher bleiben ESG-Kriterien und Nachhaltigkeitsdaten auch ohne die Umsetzung der CSRD im Rahmen von Kreditanträgen relevant.
Individuelle Nachhaltigkeitskennzahlen auszuweisen ist daher nicht nur zur Vorbereitung auf eine künftige Berichtspflicht erforderlich, sondern auch ökonomisch sinnvoll und notwendig.
Beratung und Finanzierung vom Branchenspezialisten
Die SozialGestaltung, die auf Beratung und Fortbildung spezialisierte Schwestergesellschaft der SozialBank, unterstützt bei der Analyse der regulatorischen Anforderungen, der Vorbereitung und Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagements, der Ermittlung der notwendigen Nachhaltigkeitsindikatoren, der langfristigen Stabilität der Unternehmensführung, bis hin zur Erfüllung der jeweiligen Berichts- oder Zertifizierungspflicht. Im Mai und Juni bietet sie zudem eine Qualifizierung zum „Nachhaltigkeitsexpert*in in der Sozialwirtschaft“ in einer Webinarreihe an. Nutzen Sie Ihre internen Ressourcen und befähigen Sie Ihre Mitarbeitenden zur Nachhaltigkeitsexpertise:
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Kontakt: https://kreditanfrage.sozialbank.de
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Wibke Berlin
Leitung Nachhaltigkeit und Innovation
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