Veränderungen der Versorgungslandschaft in der Pflege - SozialGestaltung

Veränderungen der Versorgungslandschaft in der Pflege

Ambulante und teilstationäre Pflege sowie Betreutes Wohnen auf Erfolgskurs

Female caretaker measuring senior woman's blood pressure at home

Seit rund 20 Jahren befindet sich die Angebotsarchitektur für das Wohnen, die Unterstützung und Pflege von Senioren in Deutschland in einem tiefgreifenden Umbruch. Die Einrichtungs- und Leistungsangebote haben sich aufgefächert. Treiber dieser Entwicklung sind und waren der quantitativ weiter steigende Bedarf an Betreuung und Pflege, der Wandel und die Differenzierung der Bedürfnisse, Präferenzen und finanziellen Möglichkeiten der Seniorinnen und Senioren sowie die Veränderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen. Entstanden ist eine breite Versorgungslandschaft. Zwischen der Pflege zuhause durch Angehörige und der vollstationären Unterbringung in einem Pflegeheim haben sich zahlreiche Versorgungsformen des Wohnens und der Pflege von Senioren etabliert (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Versorgungslandschaften entstehen

Quelle: eigene Abbildung

Unterschiedliche Dynamik in der stationären Pflege

Die einzelnen Wohn- und Versorgungsformen sind von einer unterschiedlichen Wachstumsdynamik geprägt. So stieg die Anzahl der Pflegeheime zwischen 2003 und 2021 um etwa 65 Prozent auf insgesamt 16.115 Einrichtungen (dies sind Angaben der Pflegestatistik des Statischen Bundesamtes, welche die Versorgungsverträge zählt). Gleichzeitig verzeichneten die verfügbaren Plätze für vollstationäre Dauer- und Kurzzeitpflege in diesem Zeitraum ein Wachstum von 28 Prozent auf insgesamt 888.194 Plätze. Dabei hat der Ausbau des Platzangebots im Zeitverlauf deutlich an Dynamik verloren (siehe Abbildung 2).

Ursächlich hierfür sind mehrere Entwicklungen:

  • Gesellschaftlicher und sozialpolitischer Trend “ambulant vor stationär”: Das zunehmende Bedürfnis nach Autonomie führt dazu, dass Menschen mit niedrigeren Pflegegraden vermehrt alternative Versorgungsformen bevorzugen. Zudem prägte eine relative Besserstellung ambulanter und teilstationärer Wohn- und Versorgungsformen über Jahre die Reformagenda für die soziale Pflegeversicherung. Unter anderem gab es zusätzliche Budgets für die Tagespflege, verbesserte Rahmenbedingungen für ambulant betreute Wohngemeinschaften und eine Flexibilisierung der Kurzzeit- und Verhinderungspflege. Demgegenüber erfuhr die stationäre Budgetkomponente erst zum 1. Januar 2022 eine wesentliche Steigerung, als die aufenthaltsabhängige Begrenzung des Eigenanteil an den pflegebedingten Aufwendungen eingeführt wurde.
  • Fachkräftemangel begrenzt das Wachstum der (personalintensiven) vollstationären Pflege: Die fortwährende Herausforderung, qualifiziertes Pflegepersonal zu gewinnen und zu halten, hat direkte Auswirkungen auf die Möglichkeit, neue Pflegeeinrichtungen zu schaffen und die Platzzahlen zu erweitern.
  • Platzmangel: Die Schaffung neuer Pflegeeinrichtungen erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch ausreichend verfügbare Flächen. Insbesondere in urbanen Gebieten, in denen die Nachfrage besonders hoch ist, gestaltet sich die Beschaffung geeigneter Grundstücke für den Bau von Pflegeheimen als herausfordernd.
  • Regulatorische Anforderungen: Die Sowohl beim Bau der Immobilie als auch beim Betrieb der Einrichtungen unterliegen stationäre Pflegeeinrichtungen verschärften regulatorischen Anforderungen. Dies betrifft u.a. die Begrenzung der maximal zulässige Platzzahl pro Einrichtung durch die Heimgesetze der Bundesländer.

Anders sieht es beim Ausbau der teilstationären Tages- und Nachtpflegeplätze aus. Zwischen 2003 und 2021 verzeichneten sie ein erhebliches Wachstum von nahezu 430 Prozent auf dann 96.494 Plätze. Dabei hatte die Tagespflege im Jahr 2021 einen Anteil von knapp 100 Prozent an allen teilstationären Plätzen.

Abbildung 2: Kapazitätsentwicklung voll- und teilstationäre Pflege

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Abbildung

Durch das hohe Nachfragepotenzial ist anzunehmen, dass die Bedeutung vollstationärer Pflegeangebote für die Versorgung der Bevölkerung erhalten bleibt. Gleichzeitig wird der Ausbau teilstationärer Pflegeangebote mit vergleichbarer Dynamik weiter voranschreiten.

Auf regionaler Ebene verlaufen die Angebots- und Bedarfsentwicklungen z. T. sehr unterschiedlich. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zu nennen sind beispielsweise eine Diskrepanz in der demografischen Entwicklung sowie unterschiedliche Strategien einzelner Bundesländer und Kommunen für das Wohnen und die Pflege von Senioren.

Erfolgskurs für ambulante Pflege und Betreutes Wohnen

In den vergangenen Jahren verzeichnete die ambulante Pflege einen klaren Wachstumstrend, der sich in der stark steigenden Anzahl der betreuten Personen widerspiegelt. Gleichzeitig tendieren Pflegedienste dazu, in ihrer Größe zu wachsen (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Kapazitätsentwicklung ambulante Pflege

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Abbildung

Das Angebot in der ambulanten Pflege stieg seit 2003 von rund 10.620 auf etwa 15.380 Pflegedienste, die 2021 ca. 1.047.000 Pflegebedürftige versorgen. In den letzten fünf Jahren war der Zuwachs besonders stark. Zudem werden die Pflegedienste tendenziell größer. So versorgte ein Pflegedienst im Jahr 2003 durchschnittlich 42 Personen. 2021 waren es durchschnittlich 68 Pflegedürftige pro Pflegedienst.

Alternative Wohnformen, die dem gesteigerten Autonomiebedürfnis pflegebedürftiger Menschen gerecht werden, gewinnen weiter an Relevanz. Im Januar 2022 existierten etwa 5.480 Wohnungen im Bereich des Betreuten Wohnens.[1] Nordrhein-Westfalen führt hinsichtlich der Anzahl der Angebote für Betreutes Wohnen mit 1147 Wohnungen, gefolgt von Baden-Württemberg (668 Einrichtungen) und Sachsen (636) (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Anzahl Betreutes Wohnen (Wohnungen), Stand Januar 2022

Quelle: eigene Erhebung

Verbundprojekte dominieren die Planungen

Ein Blick in die Auftragsdatenbank der SozialGestaltung verdeutlicht: Die Konzeption der Projektplanungen haben sich erheblich gewandelt. Während sich im Jahr 2007 nur rund drei Viertel der beauftragten Analysen auf solitäre stationäre Pflegeeinrichtungen bezogen, ist dieser Anteil bis 2023 auf knapp sieben Prozent gesunken. Hingegen prägen im Bereich des Neubaus seit Jahren Projekte die Planung von Betreibern und Investoren, die verschiedene Wohn- und Pflegesettings kombinieren. Darüber hinaus werden häufig zusätzliche soziale Angebote integriert, insbesondere im Bereich der Kindertagesbetreuung sowie Begegnungsmöglichkeiten für Senior*innen und andere Bevölkerungsgruppen aus der unmittelbaren Umgebung der Einrichtung. Solche Verbundprojekte machen mittlerweile über 90 Prozent der Projektplanungen aus. Bemerkenswert ist insbesondere, dass ein Fünftel der Projekte ohne stationäre Pflege konzipiert werden. Erfahrungsgemäß vergehen zwei bis drei Jahren zwischen der ersten Projektplanung und dem Zeitpunkt, an dem ein Angebot an das Netz geht. Insofern ist der Blick in unsere Auftragsdatenbank ein guter Forecast für die Projekte, die in den kommenden Jahren die Versorgungsstrukturen prägen werden.

Abbildung 5: Veränderung der Projektplanungen

Quelle: Auftragsdatenbank der SozialGestaltung GmbH

Der insgesamt steigende Bedarf für Seniorenwohnungen und Pflegeimmobilien und die gleichzeitig fortschreitenden Umbrüche in der Versorgungslandschaft sind für Betreiber und Investoren mit Chancen und Herausforderungen verbunden. Die ambulante und teilstationäre Pflege wird weiter an Bedeutung gewinnen und auch vollstationäre Pflegeangebote werden ein Pfeiler der Versorgung bleiben. Über alle Sektoren hinweg sind die Angebote auf die Pflegebedarfe von morgen und die Verfügbarkeit personeller Ressourcen auszurichten. Dies hat Auswirkungen auf bauliche und prozessuale Strukturen.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Planung, Umsetzung und Optimierung Ihrer Versorgungsangebote. Unsere Expert*innen nutzen ihre langjährigen Erfahrungen mit Veränderungen des Wohnens und der Pflege von Senioren sowie unser innovatives Modell zur Bedarfsermittlung für die Langzeitpflege und das Betreute Wohnen, um gemeinsam mit Ihnen maßgeschneiderte Konzepte und Strategien zu entwickeln.

Diese Informationen sind ein Auszug des im März 2024 erscheinenden „Branchenfokus Pflege“ der SozialGestaltung. Freuen Sie sich auf weitere spannende Prognosen und Implikationen für Betreiber, Investoren und Finanziers.

[1] Es besteht keine gesetzliche Meldepflicht für Anbieter von betreuten Wohnanlagen. Daher ist es nur möglich, Schätzungen darüber abzugeben, wie viele Wohneinheiten für betreutes Wohnen gegenwärtig in Deutschland existieren.

Sie haben Fragen? Wir helfen Ihnen gerne weiter. Ihre Ansprechpartner:

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Britta Klemm

Leitung Beratung Sozialwirtschaft und Research
E-Mail: b.klemm@sozialgestaltung.de

 

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Markus Sobottke

Teamleitung Research
E-Mail: m.sobottke@sozialgestaltung.de