Sozial. Global. Gerecht. – Was das Lieferkettengesetz für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft bedeutet

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Lieferkettengesetz verstehen, Chancen nutzen, Verantwortung übernehmen 

Vom Bekenntnis zur Compliance-Anforderung 

Die Sozial- und Gesundheitswirtschaft ist von internationalen Lieferketten geprägt. Auch wenn die direkten Lieferanten von Medikamenten, Pflegeprodukten, Inko-Materialien, medizinischen Rohstoffen oder Medizintechnik oft lokal angesiedelt sind, so sind die mittelbaren Zulieferer und der Ursprung der Rohstoffe in der Regel global zu finden. Unter welchen Bedingungen diese Produkte hergestellt oder Rohstoffe gewonnen werden, ist dabei meist unklar. Genau hier setzt das deutsche Lieferkettengesetzt (LkSG) an. Seit dem Jahr 2023 werden nach dem Gesetz Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden und seit dem Jahr 2024 Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden zur Einhaltung der Menschenrechte und umweltbezogenen Pflichten in der Lieferkette und in ihrem eigenen Geschäftsbereich verpflichtet. Damit fallen nun deutlich mehr Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft in den Anwendungsbereich des LkSG. Das Gesetz nimmt ausdrücklich keine Einschränkung hinsichtlich der Rechtsform vor. Damit fallen neben Unternehmen des privaten Sektors wie Privatkliniken, privaten Pflegeeinrichtungen, oder Herstellern von Medizintechnik auch Krankenhäuser und Unternehmen der Wohlfahrtspflege unter das Gesetz und müssen damit die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen nachweisen. 

Hinter dem Gesetz steckt eine klare Botschaft: Unternehmen sind zur Verantwortung verpflichtet! In den vergangenen Jahren sind immer wieder Verstöße gegen Menschenrechte in den öffentlichen Fokus gerückt. Global aber auch in Deutschland wurden Risiken bekannt. So ergaben Recherchen, dass beispielsweis in der Gebäudereinigungs- oder Baubranche häufig nur unzureichende Arbeitsbedingungen vorherrschen. Da Selbstverpflichtungen und Bekenntnisse zu dem UN-Global Compact von Unternehmen häufig nicht die gewünschten Ergebnisse erzielten, soll das LkSG nun für mehr Transparenz sorgen und Unternehmen dazu bringen, genau hinzuschauen: Wo kommen die Rohstoffe her? Werden die Arbeitenden fair bezahlt? Werden Umweltstandards eingehalten? 

Zwar sind in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken und Sorgfaltspflichten anders gelagert als in der Industrie, dennoch dürfen die Risiken nicht verkannt werden. So stammen beispielsweise OP-Bekleidungen, Einweghandschuhe oder Berufsbekleidung häufig aus dem asiatischen Raum, in dem Arbeitsrechtverletzungen nicht auszuschließen sind.  Auch in dem Bereich des Gebäudemanagements und der Dienstleistungen, wie der Reinigung oder dem Catering, werden häufig externe Unternehmen von den sozialen Einrichtungen beauftragt. Durch Subunternehmen können auch hier Intransparenz und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse auftreten. 

Herausforderungen des LkSG für Unternehmen 

Die Einhaltung der Sorgfalt entlang der Lieferkette stellt für Unternehmen oft eine große Herausforderung dar. Viele Unternehmen verfügen über globale, vielstufige Lieferketten, die nur schwer durchschaubar sind. Diese Komplexität erschwert es, Risiken frühzeitig zu erkennen und gezielt anzugehen. Hinzu kommt, dass nicht nur die direkten Partner im Fokus stehen – auch mittelbare Lieferanten müssen berücksichtigt werden, sobald bei ihnen Risiken bekannt werden. 

Die Sicherstellung der Menschenrechte und umweltbezogenen Pflichten ist daher mit hohem administrativem Aufwand verbunden. So sind Unternehmen zur Integration von Sorgfaltspflichten in die eigene Unternehmenspolitik verpflichtet.  Diese umfassen folgende Maßnahmen: 

  • die Errichtung eines Risikomanagementsystems  
  • die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit für den Menschenrechtsschutz 
  • die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen 
  • die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung 
  • die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern  
  • das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei Verletzung einer geschützten Rechtsposition  
  • die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens zur Mitteilung von Menschenrechtsverstößen 
  • die Dokumentation und Berichterstattung im Hinblick auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten 

Unsere Praxiserfahrung zeigt, dass mit der Umsetzung dieser Anforderungen auch bei vielen Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft große Herausforderungen verbunden sind. Häufig fehlt es an einer belastbaren Datengrundlage für eine fundierte Risikoanalyse – insbesondere, weil relevante Informationen entlang der Lieferkette nicht systematisch erfasst oder strukturiert verfügbar sind. Hinzu kommen oftmals Schwächen oder Lücken in den bestehenden unternehmensweiten Risikomanagementsystemen, in die das LkSG-Risikomanagement idealerweise integriert werden sollte. 

Zudem ist die Transparenz über die eigene Wertschöpfungs- und Lieferkette in vielen Fällen nicht ausreichend tiefgehend, um konkrete menschenrechts- oder umweltbezogene Risiken adäquat zu bewerten und darauf aufbauend wirksame Präventions- und Abhilfemaßnahmen abzuleiten. Dies betrifft insbesondere komplexere Strukturen, etwa im Gesundheits- und Krankenhaussektor, wo die Beschaffung häufig über zentrale Einkaufsgemeinschaften oder externe Dienstleister erfolgt – was die direkte Einflussnahme auf die Lieferantenbeziehung zusätzlich erschwert. 

Wo also konkret ansetzen? Für Unternehmen in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft beginnt der Weg zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht mit einem genauen Blick nach innen – und nach außen. Im ersten Schritt ist die Risikoanalyse durchzuführen. Das bedeutet: Es muss systematisch geprüft werden, wo im eigenen Geschäftsbereich sowie bei direkten Zulieferern Risiken für Menschenrechtsverletzungen oder umweltbezogene Risiken bestehen. Im Kontext von Kliniken, Pflegeeinrichtungen, sozialen Trägern oder Wohlfahrtsverbänden betrifft das zunächst die eigenen Einrichtungen, Verwaltungsbereiche und Beschäftigten – also alles, was unter direkter Kontrolle steht. Hier gilt es, Risiken zu identifizieren, zu priorisieren und nach Relevanz zu gewichten: Gibt es z. B. Probleme im Umgang mit Arbeitszeiten, psychischer Belastung oder Diskriminierung? 

Aber auch der Blick auf die direkten Zulieferer ist entscheidend – etwa Reinigungsdienste, IT-Anbieter, medizinische Fachlieferanten oder Lebensmittelgroßhändler. Diese stehen in vertraglicher Beziehung zum Unternehmen und müssen ebenfalls auf potenzielle Risiken hin beleuchtet werden: Werden ihre Mitarbeitenden fair behandelt? Gibt es Hinweise auf mangelnden Arbeitsschutz? Besonders herausfordernd ist in diesem Schritt die Beschaffung verlässlicher Daten. Hier braucht es klare Strukturen, Pragmatismus und Prioritäten. 

Noch schwieriger wird es bei den mittelbaren Zulieferern – also den Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen für die direkten Zulieferer erbringen. Ein typisches Beispiel: die Textilfabriken, die Dienstkleidung produzieren. Diese stehen meist außerhalb des direkten Zugriffs – eine gründliche Prüfung ist hier zwar nicht verpflichtend, wird aber dann erforderlich, wenn konkrete Hinweise auf Risiken (sogenannte substantiierte Kenntnis) vorliegen. 

 Um zu vermeiden, dass die gegenwärtig notwendige Umsetzung der LkSG-Vorgaben sowie die perspektivisch hinzukommenden Anforderungen – etwa durch das geplante EU-Lieferkettengesetz – die Organisation übermäßig belasten oder zu ineffizientem Ressourceneinsatz führen, empfiehlt sich ein systematischer, skalierbarer Ansatz. Dieser sollte auf einer einheitlichen Governance-Struktur basieren, Synergien zwischen verschiedenen regulatorischen Anforderungen nutzen und zukunftssicher aufgesetzt sein – insbesondere im Hinblick auf Datenmanagement, Prozessintegration und Berichtspflichten. 

Synergien und Chancen des LkSG durch die Verbindung mit der CSRD und internationalen Standards 

Auch wenn das LkSG für Unternehmen strategische, operative und rechtliche Herausforderungen bedeutet, ergeben sich zugleich auch Chancen und Synergien – zum Beispiel durch die Verbindung mit der EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder internationalen Standards wie den GRI (Global Reporting Initiative) oder den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: 

        1. Ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie: Die CSRD fordert eine umfassende Berichterstattung über Umwelt, Soziales und Governance (ESG). Durch die Integration der Anforderungen des LkSG können Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung vertiefen und transparenter gestalten. 
        2. Effizienzsteigerung: Die gleichzeitige Umsetzung verschiedener Standards und Richtlinien ermöglicht es, Prozesse zu bündeln und Doppelarbeit zu vermeiden. Beispielsweise können Daten, die für die LkSG-Compliance gesammelt werden, auch für die ESG-Berichterstattung genutzt werden. 
        3. Stärkung des Unternehmensimages: Durch die Einhaltung internationaler Standards wie GRI, UN-Leitprinzipien oder OECD-Leitsätze demonstrieren Unternehmen ihre Verantwortung und verbessern ihre Reputation bei Leistungsempfängern, Kostenträgern und Partnern. 
        4. Risikominimierung: Frühe Identifikation und Behebung von Menschenrechts- oder Umweltproblemen in der Lieferkette können rechtliche, finanzielle und Reputationsrisiken reduzieren. 
        5. Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, die proaktiv Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsmodelle integrieren, können sich auf dem Markt differenzieren und langfristig erfolgreicher sein. 

Das LkSG ist damit zugleich eine Chance, Prozesse zu optimieren, das Vertrauen der Stakeholder zu stärken und langfristig nachhaltigen Erfolg des Unternehmens zu sichern. 

 

Die Zukunft des LkSG und der Weg zum Europäischen Lieferkettengesetz (CSDDD) 

Das LkSG stand seit seiner Einführung im Zentrum zahlreicher politischer Debatten – und bleibt auch weiterhin umstritten. Im aktuellen Koalitionsvertrag kündigt die Bundesregierung nun an, das LkSG abschaffen und stattdessen die europäische Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) in nationales Recht überführen zu wollen. Dies würde für derzeit betroffene Unternehmen bedeuten, dass die Berichtspflichten nach dem LkSG abgeschafft würden. Auch die derzeit geltenden gesetzlichen Sorgfaltspflichten würde bis zu dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes nicht sanktioniert. Hiervon ausgenommen blieben aber massive Verletzungen der Menschenrechte.  

Allerdings bleibt unklar, wie schnell dieser politische Wandel erfolgt. Am 25. Juni 2025 hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales mehrere Anträge der Opposition zum Thema abgelehnt – sowohl eine Initiative zur Abschaffung des LkSG als auch ein Antrag, die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Standards zu stärken. Ein politischer Konsens ist damit weiterhin nicht in Sicht. 

Was bedeutet das für die Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft in Deutschland konkret? Aktuell hat die zuständige Behörde (BAFA) die Prüfung der Berichte bis zum 01.01.2026 ausgesetzt. Dementsprechend muss bis dahin keine Übermittlung des Berichts durch die Unternehmen erfolgen. Nichtsdestotrotz bleiben die übrigen Sorgfaltspflichten hiervon unberührt. Das heißt, dass u.a., Menschenrechtsrisiken in ein ganzheitliches Risikomanagementsystem (RKM) integriert und überwacht werden müssen.  

Unabhängig von der nationalen Diskussion, ist die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bereits beschlossen worden. Sie geht in vielen Punkten über das LkSG hinaus. 
Die Richtlinie verpflichtet große Unternehmen EU-weit dazu, ihre gesamte Wertschöpfungskette zu analysieren. Ziel ist es, menschenrechtliche und ökologische Risiken frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Im Vergleich zum LkSG bedeutet das einen breiteren Geltungsbereich, tiefgehendere Anforderungen und einen Blick auf die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette. 

Gleichzeitig bleibt die CSDDD Teil des sogenannten EU-Omnibus-Verfahrens, das weitere Bürokratie abbauen und Regelungen vereinfachen soll. Wie also die Verpflichtungen aus der CSDDD schließlich für Unternehmen aussehen, bleibt ebenfalls abzuwarten. 

Trotz regulatorischer Unsicherheiten bieten sowohl das LkSG als auch die CSDDD eine Chance auf Neuorientierung für Unternehmen. Denn beide Regelwerke eint der Grundgedanke der Verantwortung für das eigene Handeln – im eigenen Geschäftsbereich und entlang der Lieferkette. 

 

Fazit: Menschenrechte sind für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft nicht verhandelbar – sie sind ihr Fundament. 

Wer proaktiv handelt, kann langfristig profitieren. Es geht darum, Risiken für Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umweltstandards nicht zu ignorieren, sondern systematisch zu identifizieren und anzugehen. Unternehmen sollen nicht nur ihre eigenen Prozesse im Blick behalten, sondern auch die Bedingungen bei ihren Partnern und Zulieferern und sich so auch strategisch, glaubwürdig und zukunftsfähig positionieren. Die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten darf nicht isoliert betrachtet werden – sie ist Ausdruck einer verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Unternehmensführung. Governance heißt in diesem Kontext nicht Kontrolle im klassischen Sinne, sondern intelligente Steuerung: durch klare Verantwortlichkeiten, messbare Ziele, wirksame Monitoring-Instrumente und partizipative Prozesse. Das bedeutet für das LkSG konkret: die Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern auch sinnvoll in bestehende Strukturen zu integrieren. Integrierte Managementsysteme, verknüpfte RMS und belastbare interne Kontrollsysteme (IKS) schaffen die nötige Grundlage für eine zukunftsfähige und glaubwürdige Positionierung. Es wird langfristig Vertrauen, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit aufgebaut – und das Ganze mit menschenrechtlicher Sorgfalt und dem Sozialen im Fokus; genau das, was unsere Branchen so besonders macht. 

Sie haben Fragen? Dann kontaktieren Sie uns gern:

Ronja Platz
Beraterin Nachhaltigkeit & Innovation

E-Mail: r.platz@sozialgestaltung.de

Lisa Stender
Beraterin Nachhaltigkeit & Innovation

E-Mail: l.stender@sozialgestaltung.de