VSME in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft

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Vom Pflichtprogramm zur strategischen Unternehmensführung

Vom Compliance-Druck zur Zukunftsgestaltung

Die Sozial- und Gesundheitswirtschaft steht unter wachsendem Druck, sich mit Fragen der Nachhaltigkeit, Transparenz und Berichterstattung auseinanderzusetzen. Spätestens seit der Einführung neuer europäischer Standards wie der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und den zugehörigen ESRS (European Sustainability Reporting Standards) ist Nachhaltigkeit nicht mehr bloß eine freiwillige Kür, sondern rückt ins Zentrum strategischer Unternehmensführung. Mittendrin: Die VSME – Voluntary Sustainability Reporting Standards for Micro, Small and Medium Enterprises; eine Richtlinie für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Besonders kleine und mittlere Organisationen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft – häufig gemeinnützig, hochreguliert, wirtschaftlich angespannt, aber auch größere Unternehmen, deren CSRD-Berichtspflicht durch die Omnibus-Verordnung aufgehoben oder verschoben wird, stellen sich die Frage: Müssen wir zur Nachhaltigkeit berichten? Und wenn ja: Warum jetzt? Wie detailliert, wie regelmäßig und mit welchen Ressourcen?

Die klare Antwort: Nicht zwingend nach aktuellem Stand der Regulatorik – aber strategisch sinnvoll. Denn nachhaltige Unternehmensführung ist mehr als gesetzliche Pflichterfüllung: Sie ist Voraussetzung für Resilienz, Steuerung, Vertrauen und Zukunftssicherung. Zukunftsfähigkeit.

 

Vom regulatorischen Nebel zum strategischen Klarblick

Die aktuellen Änderungen rund um CSRD und Omnibus-Verordnung verunsichern viele Organisationen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Lohnt sich der Aufbau aufwendiger Berichtsprozesse und -systeme? Oder wird Nachhaltigkeit erneut zum „nice to have“ degradiert?

Diese Frage zielt ins Zentrum des Problems: Wenn regulatorische Standards schwanken, braucht es Klarheit, warum und für wen man berichtet. Eines steht fest: Organisationen, die Nachhaltigkeit vernachlässigen, riskieren in Zukunft massive Wettbewerbsnachteile. Der Markt, Banken, Versicherungen, Kostenträger, Klient*innen und Mitarbeitende fordern zunehmen belastbare ESG-Informationen, auch ohne gesetzliche Pflicht.

 

VSME als Brücke: Von der Pflicht zur Kür

VSME bietet einen pragmatischen Einstieg für Unternehmen, die (noch) nicht unter CSRD und umfassende ESRS fallen, aber strukturiert mit Nachhaltigkeit arbeiten wollen. Die VSME-Standards sollen kleinen und mittleren Unternehmen den Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung erleichtern. Dabei geht es nicht um vollständige ESRS-Konformität, sondern um einen pragmatischen, relevanzbasierten Zugang. Gerade in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft ist dieser standardisierte, ressourcenschonende Zugang zentral:

  • Komplexitätsreduktion: Statt GRI, DNK, CSRD und ESRS als unverständliches Abkürzungslabyrinth zu begreifen, bietet VSME einen praxisorientierten Einstieg – verständlich, modular, erweiterbar.
  • Stakeholderanforderungen: Wer seine Nachhaltigkeitsleistungen nachvollziehbar macht, schafft Vertrauen bei Banken, Kostenträgern, Banken, Gremien, Fördermittelgebern, Versicherungen, Lieferanten – und nicht zuletzt für Mitarbeitenden, Klient*innen und Angehörige.
  • Value-Chain-Cap: Organisationen, die gemäß VSME berichten, müssen in ihrer Lieferkette nur jene Informationen weitergeben, die sie selbst mithilfe der VSME erheben – ein wirksamer Schutz gegen übermäßige Datenanforderungen durch Dritte (Verminderung des Trickle-Down-Effekts).
  • Strategische Steuerung: Nachhaltigkeitsdaten und -berichterstattung sind keine Verwaltungsübung, sondern ein Steuerungsinstrument – für Personalentwicklung, Beschaffung, Energie- und Gebäudemanagement, Risiko- und Qualitätsmanagement und Investitionen.

VSME ist modular aufgebaut: Ein Basismodul und ein ergänzendes Comprehensive-Modul. Das Basismodul, speziell für kleine- und mittelständische Unternehmen konzipiert, deckt grundlegende ESG-Anforderungen ab. Das Comprehensive-Modul erweitert die Berichterstattung um zusätzliche Datenpunkte, um den Erwartungen verschiedener Stakeholder gerecht zu werden.

Mit rund 100 Datenpunkten bleibt der VSME deutlich unter der Schwelle der über 1.100 Datenpunkten der CSRD – ohne dabei zentrale Themen wie Emissionen, Arbeitsbedingungen, Korruptionsprävention oder Energieeffizienz auszusparen.

Gerade in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft ist die Nutzung beider Module zu empfehlen, um ein realistisches Bild der Nachhaltigkeitsleistung zu zeichnen. Wer sich mit dem VSME beschäftigt, erkennt schnell vertraute Strukturen: Auch er ist Teil der ESRS-Familie. Relevante Themen wie Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen, Arbeitsbedingungen oder Korruptionsprävention bleiben erhalten – jedoch bei deutlich geringerem bürokratischem Aufwand.

 

Nachhaltigkeitsberichte neu denken – als Narrativ, statt Excel-Tabelle

Ein weit verbreiteter Irrtum: Nachhaltigkeitsberichte werden oft nur als Reaktion auf gesetzliche Anforderungen erstellt – rückblickend und aus einer defensiven Haltung heraus. Doch wer zukunftsfähig sein will, braucht ein neues Verständnis. Ein wirksamer Bericht denkt strategisch und nach vorne. Er gibt Antworten auf zentrale Fragen:

  • Wo wollen wir hin?
  • Welche Ressourcen, Daten und Informationen stehen uns zur Verfügung?
  • Wie machen wir unsere Fortschritte sichtbar und nachvollziehbar?

Ein VSME-gestützter Bericht, gibt Antworten auf diese Fragen und macht aus ESG-Daten ein strategisches Führungsinstrument. Er macht Wirkung sichtbar, hilft Ziele abzuleiten, geeignete Maßnahmen zu planen, Fortschritt zu messen und interne Entwicklungsprozesse sichtbar zu machen – ob bei der Einführung von Energieeffizienzmaßnahmen, der Förderung gesunder Arbeitsbedingungen, oder der Verbesserung der sozialen Wirkung in der Region.

Was wirklich trägt: Vier Stellschrauben für zukunftssicheres Reporting

Eine nachhaltige Reporting-Praxis in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft braucht vier zentrale Voraussetzungen:

  1. Ein belastbares Wesentlichkeitsverständnis: Keine Alibi-Workshops, sondern echte Auseinandersetzung mit Wirkungsfeldern, Stakeholdern und Prioritäten. Es gilt nicht möglichst viele Nachhaltigkeitsthemen abzudecken, sondern die relevantesten Felder zu analysieren und priorisieren: Nicht jedes Thema ist für jedes Unternehmen gleich relevant.
  2. Eine fundierte Dateninfrastruktur: Raus aus der Excel-Falle, hin zu strukturierten Systemen, die Daten übergreifend nutzbar machen – auch für andere Managementprozesse. Nachhaltigkeitsdaten kommen aus funktionsübergreifenden Unternehmensbereichen, wie Einkauf, Personal, Controlling, Qualitätsmanagement, Haustechnik, Verwaltung – sie müssen systematisch erfasst, gebündelt und Entscheidungen nutzbar gemacht werden.
  3. Ein Transformationsnarrativ: Organisationen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft brauchen einen klaren Weg und Fahrplan. Wo stehen wir heute? Wo wollen wir hin? Und was heißt Nachhaltigkeit für uns konkret, jenseits der allgemeinen Floskeln? Welche Ressourcen, Kompetenzen und Strukturen sind nötig, um diesen Weg wirksam und pragmatisch umzusetzen?
  4. Ein befähigtes Team: Nachhaltigkeit ist kein Nebenjob, sondern ein Prozess. Es braucht befähigte Personen, die Nachhaltigkeit verstehen, umsetzen und vermitteln können. Nachhaltigkeit bezieht sich dabei sowohl auf die externe als auch auf die interne Kommunikation. Nur so wird Nachhaltigkeit ein Teil der Organisationsstruktur.

 

Der Markt fragt – Unternehmen müssen antworten

Die wesentlichen Treiber für Nachhaltigkeitsberichterstattung gehen längst über gesetzliche Anforderungen hinaus. Banken für die Kreditvergabe, Versicherungen für Risikoanalysen, Träger für Refinanzierung und Förderentscheidungen machen Nachhaltigkeitsnachweise zur Voraussetzung. Und auch Klient*innen, Angehörige, Ehrenamtler und Mitarbeitende erwarten zunehmend Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit.

Kurz: Wer keine Antworten liefern kann, riskiert den Anschluss zu verlieren. Wer dagegen strukturiert kommuniziert und die relevanten Daten bereitstellt, stärkt Vertrauen und sichert sich Zugang zu notwendigen Ressourcen.

 

Das Thema „Nachhaltigkeit“ gewinnt an Relevanz

Dies zeigt auch das 6. Trendbarometer der SozialGestaltung: Fast 40 % der Befragten sehen im Bereich Nachhaltigkeit einen zentralen Investitionsschwerpunkt – besonders in Bereichen wie Energieeffizienz, moderne Gebäudetechnik und klimafreundliche Mobilität. Wichtige Nachhaltigkeitsmaßnahmen werden von den 2.300 befragten Einrichtungen insbesondere im Bereich Schulungen der Mitarbeitenden, Implementierung interner Kontrollsysteme, Definition wesentlicher Nachhaltigkeitsthemen, Klimabilanzierung, Energieeffizienzmaßnahmen und der ESG-Datenerfassung gesehen.

Die Ergebnisse des sechsten Trendbarometers unterstreichen die Notwendigkeit, dass die neue Bundesregierung klare politische Rahmenbedingungen in der Sozial- und Gesundheitspolitik schaffen muss, um die Organisationen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zu unterstützen.

 

Fazit: Nachhaltigkeit ist kein Verwaltungsakt – sie ist ein Wettbewerbsvorteil

Gute Nachhaltigkeitsberichterstattung zahlt auf das Kerngeschäft ein – in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft vielleicht mehr als in jeder anderen Branche. Denn hier geht es um Vertrauen, Wirkung und Verantwortung. Und genau hier setzt VSME an: Als strukturierte, aber flexible Hilfe zur Selbsthilfe. Als Einstieg in ein Berichtssystem, das mit dem Unternehmen wachsen kann.

Wer jetzt zu ESG berichtet, schafft Grundlagen für die interne Steuerung, resiliente Strukturen, bessere Konditionen bei Finanzierungen und stärkere Positionierung im Markt. ESG-Reporting wird damit nicht zur lästigen Pflicht, sondern zum strategischen Asset – weil es wirkt, nicht weil es muss.

Kurz gesagt: Nachhaltigkeit zahlt sich aus – sie wird zum Schlüssel für Zukunftsfähigkeit, Betriebsstabilität und Versorgungssicherheit.

 

Das Team Nachhaltigkeit der SozialGestaltung steht Ihnen gerne für weiterführende Fragen, Austauschformate und individueller Beratungen zur Verfügung. Unsere Expert*innen begleiten Sie im gesamten Prozess: Von der Bestandsaufnahme und Zieldefinition über die Auswahl relevanter Indikatoren und Maßnahmen bis hin zur Erstellung und Integration eines aussagekräftigen Nachhaltigkeitsberichts nach CSRD oder VSME.

Sprechen Sie uns gerne an: nachhaltigkeit@sozialgestaltung.de 

Wibke Berlin
Leitung Nachhaltigkeit und Innovation

E-Mail: w.berlin@sozialgestaltung.de