Auf Basis zweier bundesweiter Umfragen hat die Bank für Sozialwirtschaft untersucht, wie sozialwirtschaftliche Organisationen mit dem Thema Digitalisierung umgehen. Im Fokus der ersten Umfrage 2019 standen insbesondere Aspekte der Investition und der Kooperation. Die zweite Umfrage aus dem Sommer 2020 betrachtete die Digitalisierung im Rahmen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise auf das Sozial- und Gesundheitswesen.
Die Zielgruppen beider Umfragen umfassten freigemeinnützige, privat-gewerbliche und öffentliche Träger von sozialwirtschaftlichen Einrichtungen. Unterstützt wurden die Projekte durch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtpflege, den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste und den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch die Universität Köln.
Kernergebnisse der Umfragen
An der im Zeitraum Juni bis August 2019 bzw. Mitte Mai bis Mitte Juni 2020 durchgeführten schriftlichen Befragungen haben insgesamt 1.100 bzw. 1.000 Personen teilgenommen. Die Befragungen kommen zu folgenden Kernergebnissen:
1. Finanzierungsstrukturen erschweren Investitionen in Digitalisierung
Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft investieren soziale Organisationen nur einen sehr geringen Anteil ihres Umsatzes in den digitalen Fortschritt. Weniger als fünf Prozent der Befragten veranschlagt den Investitionsumfang auf über zwei Prozent des Gesamtumsatzes. Im Durchschnitt aller Unternehmen der deutschen Wirtschaft liegt das Investitionsvolumen gemessen am Gesamtumsatz bei 5,5 Prozent.
Nur 16 Prozent der sozialen Organisationen gehen uneingeschränkt davon aus, dass die erforderlichen Investitionen in naher Zukunft getätigt werden können. Zudem sind laut der Umfrage von 2019 fast 90 Prozent der Organisationen bei der Finanzierung von Digitalisierungsinvestitionen auf den Einsatz von Eigenmitteln angewiesen. Weniger als 20 Prozent der Befragten gaben an, auch Fremdmittel bei der Finanzierung einsetzen zu können.
2. Es fehlen oft klare Verantwortungsstrukturen für Digitalisierung
Für den Erfolg von Digitalisierungsmaßnahmen sind eindeutige Verantwortungsstrukturen in den Organisationen von großer Bedeutung. Über eine verantwortliche Stelle verfügt aktuell jedoch nur rund ein Drittel der befragten sozialwirtschaftlichen Organisationen. In der Gesamtwirtschaft liegt dieser Wert bei rund 51 Prozent. Insofern sind die sozialen Organisationen gefordert, klare Verantwortungsstrukturen für die Digitalisierung zu implementieren und entsprechende Positionen mit einem angemessenen Aufgabenspektrum und Stellenumfang zu schaffen.
3. Kooperationen bei der Digitalisierung bedürfen vielfältiger Unterstützung
Nur rund die Hälfte der 2019 befragten Organisationen arbeitet zusammen mit externen Partnerinnen und Partnern an der Digitalisierung. Für die Gesamtwirtschaft liegt dieser Wert mit knapp 80 Prozent deutlich höher. Zudem besteht ein erheblicher Unterstützungsbedarf hinsichtlich technischer, methodischer, juristischer und finanzierungsbezogener Beratung sowie bei Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch. Die Zuständigkeit für die Unterstützung verorten die Studienteilnehmer*innen vor allem im eigenen Verbandsbereich.
4. Wenig innovative Digitalisierungsstrategien
Die Chancen des technischen Fortschritts bleiben zum Teil ungenutzt, weil Digitalisierungsstrategien zu wenig innovativ ausgeprägt sind. Kooperationen und Investitionen sind vorrangig auf Themenfelder wie Prozesse und IT fokussiert. Für innovativere Bereiche wie Big Data und Plattformaktivitäten werden vergleichsweise wenige Ressourcen eingesetzt. Hier eine Veränderung zu erreichen, setzt das Etablieren einer wirksamen Innovationskultur in den Organisationen und Unternehmen voraus. Bisher zu wenig im Fokus von Digitalisierungsprojekten stehen darüber hinaus die Erreichbarkeit der eigenen Zielgruppe und die Ermöglichung von Teilhabe.
5. Engpassfaktor Personal
Neben der finanziellen Basis sind in vielen Organisationen auch die personellen Voraussetzungen für die Umsetzung entsprechender Projekte unzureichend. Befragt nach den Gründen dafür, verwies eine Mehrheit von fast 80 Prozent der Studienteilnehmer*innen auf die zu geringen Personalkapazitäten. Abgesehen von der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit hinsichtlich IT-Spezialistinnen und -spezialisten fehlen in der betrieblichen Praxis oftmals schon für die Akquisition von öffentlichen Fördergeldern die nötigen Personalkapazitäten. Auch dies unterstreicht die Bedeutung eines kooperativen Vorgehens bei der digitalen Transformation.
6. Organisationsgröße als maßgeblicher Einflussfaktor für die Digitalisierungsaktivitäten
Je größer eine Organisation ist, desto häufiger sind klare Verantwortungsstrukturen für Digitalisierung in ihren Einrichtungen gegeben. Auch auf den Innovationsgehalt der Digitalisierung und auf die Kooperationshäufigkeit hat die Organisationsgröße einen signifikanten Einfluss. In Bezug auf die Investitionshöhe in Digitalisierung dagegen ist dieser Einfluss nur gering ausgeprägt. Kleinere Einrichtungen müssen Wege finden, um z. B. durch Vernetzung und Kooperation ihre Voraussetzungen für die digitale Transformation wesentlich zu verbessern. Ansonsten könnten die Veränderungen zu einer Beschleunigung der Trägerkonzentration in den Branchen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft beitragen.
7. Die Corona-Pandemie als Treiber für die Digitalisierung
Einem breiten Spektrum an digitalen Anwendungen wird eine sehr hohe Bedeutung für die Bewältigung der Corona-Krise beigemessen. Knapp 70 Prozent der 2020 befragten Entscheider*innen gaben an, den Ausbau von Hard- und Software forciert zu haben. Neue Formate zum Informationsaustausch wurden in rund zwei Drittel der Fälle geschaffen. Insgesamt erwartet ein Großteil der befragten Personen einen hohen bzw. sehr hohen Schub für die Digitalisierung durch die Corona-Pandemie. Mit der sprunghaft gestiegenen Relevanz von Digitalisierung in der Corona-Krise erhöht sich auch der Investitionsdruck in diesem Bereich. Beim Vergleich der Untersuchungen von 2019 und 2020 zeigt sich eine leicht gestiegene Bereitschaft der sozialen Organisationen für Investitionen in Technik und Digitalisierung.
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