Der Betrag der Angemessenheitsgrenzen wird nach dem Anstieg des Baupreisindex für Wohngebäude auf 16,1 Prozent in NRW für 2023 entsprechend fortgeschrieben. Hiernach ergibt sich für 2023 ein Kostenrichtwert der maximal anerkennungsfähigen Kosten für die vollstationäre Pflege von 2.966,33 Euro pro Quadratmeter (3.066,33 Euro pro Quadratmeter mit Zentralküche).
Für die teilstationäre Pflege sind maximal 2.429,79 Euro pro Quadratmeter sowie Aufwendungen für Instandhaltung und Instandsetzung von Anlagegütern in Höhe von 26,51 Euro pro Quadratmeter anerkennungsfähig.
Trägt sich ein Neubau wieder?
Für vollstationäre Pflegeeinrichtungen ergibt sich daraus bei einer anerkennungsfähigen Nettoraumfläche von maximal 53 Quadratmetern ein Platzwert von circa 157.200 Euro (162.500 Euro mit Zentralküche). Bei einer Einrichtung mit 80 Plätzen leiten sich hieraus maximal anerkennungsfähige Bau- und Einrichtungskosten von 12,6 Millionen Euro (13 Millionen Euro inklusive Zentralküche) ab.
Zu beachten ist, dass diese erhöhten Angemessenheitsgrenzen nicht nur für Neubauprojekte gilt, sondern auch für laufende Bauprojekte, die im Jahr 2023 fertiggestellt werden.
Diese Anhebung der Angemessenheitsgrenzen reicht jedoch nicht immer aus, um den aktuellen Baukostenentwicklungen zu entsprechen. Insbesondere sind Kosten zur Erfüllung erhöhter energetischer Standards hierüber nicht abzudecken. Aktuell gehört die energetische Sanierung auch nicht zu den zwingenden Maßnahmen im Sinn von § 3 APG DVO.
Wenn die Erreichung der umweltpolitischen Ziele politisch gewollt ist, müssen Pflegeeinrichtungen auch einen gesicherten Refinanzierungsanspruch zur Erfüllung der energetischen Standards haben.
Koalitionsvertrag der Landesregierung in NRW: Silberstreif am Horizont für energetische Sanierungen?
Im Koalitionsvertrag der Landesregierung in NRW findet sich die Ankündigung, dass Klimaschutz bei der Investitionsförderung über die einschlägigen Gesetze, wie das Altenpflegegesetz Nordrhein-Westfalen oder das Kinderbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen, stärker berücksichtigt und gefördert werden kann.
Allerdings liegt ein zweites Investitionshemmnis in NRW im Ansatz einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer und Refinanzierung des Gebäudes über 50 Jahre. Hier sind andere Bundesländer (Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Thüringen) inzwischen auf einen realistischeren Zeitraum von 33 Jahren übergegangen.
Verbessern sich die anerkennungsfähigen Investitionsaufwendungen zum 1. Januar 2023 für Mietmodelle?
Aufgrund des zeitlich-befristeten Bestandsschutzes hatten sich zum 1. Juli 2021 für Mietmodelle drastische Verschlechterungen in der Refinanzierung der Investitionskosten ergeben.
Für Mietmodelle in NRW, bei denen der/die Betreiber*in nicht Eigentümer*in der Immobilie ist, steht zum 1. Januar 2023 turnusmäßig eine Neubeantragung der Investitionskosten an.
In der Fortschreibung der anerkennungsfähigen Investitionskosten ergeben sich durch die neuen Angemessenheitsgrenzen positive Effekte. Die Refinanzierung der anerkennungsfähigen Aufwendungen der sonstigen Anlagegüter sowie der Instandhaltungsaufwendungen unterliegt einer Indexierung, die sich für 2023 aktuell an den Preisindizes für Wohngebäude (Bauleistungen am Bauwerk) per Mai 2022 orientieren und jährlich von der obersten Landesbehörde (MAGS) durch Erlass festgesetzt werden.
Beispiel: Anpassung der Angemessenheitsgrenzen und deren Auswirkung
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Die Refinanzierung der anerkennungsfähigen Aufwendungen der sonstigen Anlagegüter sowie der Instandhaltungsaufwendungen verbessert sich aufgrund der Indexierung um circa 78.000 Euro deutlich. Allerdings kann sich in Einzelfällen auch ein Zinsrückgang ergeben.
Welche Auswirkungen hat eine Zinsänderung in der Neufestsetzung?
Verschlechterungen können zum 1. Januar 2023 drohen, wenn nach Ablauf eines Zeitraums von zehn Jahren eine neue Ermittlung des fiktiven Zinsbetrages erfolgt. Es kann zu einer Zinsabsenkung kommen, wenn Pflegeeinrichtungen zum Beispiel zum 1. September 2001 oder 1. September 2011 in Betrieb gegangen sind.
In diesem Fall fließt bei der Ermittlung des fiktiven Zinsbetrages nunmehr ein Fremdkapital-Zinssatz von lediglich 1,21 Prozent anstelle von bisher 4,06 Prozent (EK: 0,32 Prozent statt bisher 3,93 Prozent) ein:
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Im Ergebnis ergibt sich in der I-Kostenberechnung bei den anerkennungsfähigen Finanzierungsaufwendungen in Summe eine Verschlechterung um 233.000 Euro.
Sichtung und Anpassung des Miet- oder Pachtvertrags
Da sich durch die neuen Angemessenheitsgrenzen mitunter auch noch positive Effekte aus der Umsetzung der LSG-Urteile zur ortsüblichen Grundstücksmiete ergeben, ist auch eine Sichtung des Mietvertrags nötig. Hier ist festzustellen, in welchem Umfang Miet- oder Pachtanhebungen sein müssen oder ein höherer Ansatz bei den vom/von der Betreiber*in zu tragenden Kosten der sonstigen Anlagegüter bzw. der Instandhaltungsaufwendungen zur Ausschöpfung der erhöhten Angemessenheitsgrenzen realisierbar ist.
Vermeidung der Pflicht zur Führung der virtuellen Konten
In der Praxis ist die Ermittlung der Angaben zu den Aufwendungen für die virtuellen Konten mit einem nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand verbunden. Soweit der/die Betreiber*in keinen Aufwand in Bezug auf die sonstigen Anlagegüter sowie die Instandhaltung zu tragen hat, besteht keine Pflicht zur Führung der virtuellen Konten.
Von daher ist im Einzelfall zu prüfen, ob diese Verpflichtungen vom/von der Betreiber*in auf den/die Vermieter*in/Verpächter*in oder eine Servicegesellschaft verlagert werden können.
Der Autor dieser Branchen-News
Jan Grabow ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der CURACON GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Dort leitet er das Ressort Altenpflege.
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