Strategische Herangehensweise für Bauherrinnen/Bauherren
Vergabe von Planungsaufträgen – die Phase Null als Chance für die Sozialwirtschaft
Wenn die Kosten für Bauprojekte entgegen der ursprünglichen Prognose in die Höhe schossen, sahen sich Bauherren/Bauherrinnen bis jetzt einer Vielzahl von Problemen ausgesetzt, die oftmals in juristischen Auseinandersetzungen mit den beauftragten Planerinnen und Planern gipfelten. Um die Klageverfahren an deutschen Gerichtsbarkeiten deutlich zu reduzieren, musste der Gesetzgeber eine Regelung zur Vermeidung von Baukostenerhöhungen treffen.
Früher staunten Bauherrinnen und Bauherren, nachdem sie ihre Projekte aufgrund einfacher Kosteneinschätzungen über Kennzahlen gestartet hatten, wenn Baumaßnahmen mit Kostensteigerungen von x% endeten. Wenn Bauherrinnen und -herren die Planer*innen zur Verantwortung ziehen wollten, führte dies oft zu langen, kostenintensiven Prozessen. Schließlich bedurfte es einer Vielzahl von Fachanwältinnen und -anwälten sowie Sachverständigen im Bereich Honorar- und Baurecht. Damit kann jetzt Schluss sein, wenn der/die Bauherr*in die vom Gesetzgeber vorgeschlagene Herangehensweise annimmt.
Fiktives Praxisbeispiel:
Der Betreiber einer stationären Pflegeeinrichtung ist aufgrund der Anpassungspflicht des Heimgesetztes in seinem Bundesland gefordert, in einer bestimmten Frist die Einrichtung an die DIN 18040 Teil 2 zu gewährleisten. Gleichzeitig muss er die Zahl der Doppelzimmer reduzieren und das gesamte Gebäude an ein einheitliches Brandschutzalarmsystem, Schwesternrufsystem und IT-System anlassen. Dies ist eine Aufgabe, die den Bauherrn/die Bauherrin als Besteller*in von Dienstleistungen (Planungsleistungen, gutachterliche Leistungen) irgendwann im Lebenszyklus der Gebäude treffen kann. Bislang wurden solche Aufgabenstellungen schrittweise, beginnend mit einer Machbarkeitsstudie, einem Architektenvergabewettbewerb oder mit freien Vergaben realisiert. Die ersten Kostenschätzungen nach DIN 276 wurden dann unter Würdigung der Kostenobergrenzen des jeweiligen Bundeslandes eingehalten. Nicht selten endeten diese Projekte mit Kostenfeststellungen nach Abschluss aller Maßnahmen mit bis zu 30% und mehr. Die Versuche, sich dann bei den Planern/den Planerinnen für mögliche Fehlberechnungen schadlos zu halten, endeten in ergebnislosen Gerichtsprozessen.
Neue Regelung als Chance nutzen
Seit dem 1. Januar 2018 gelten im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die neuen Vorgaben zum Vertragsrecht gegenüber Architektinnen und Architekten und Planerinnen und Planern.
Aufgrund der im § 650 p-t BGB aufgestellten Regeln sehen sich Architektinnen und Architekten, Fachplaner*innen für Gebäudetechnik und Tragwerk besonderen Vorschriften ausgesetzt, die zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht Teil der gelebten Praxis sind. Immobilienbesitzer oder werdende Bauherren tangieren diese Regeln leider nicht.
Änderung der Fakten
Zunächst unterscheiden wir fortan nicht zwischen Architektenvertrag und Ingenieurvertrag, sondern fassen diese unter dem Begriff „Planungsvertrag“ zusammen. Neu ist in diesem Zusammenhang, dass der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) eine Zielfindungsphase vorgeschaltet werden sollte.
Diese Zielfindungsphase hat die Bezeichnung „Phase 0“ oder „Planung der Planung“. Weicht man dann während der Planungs- und Bauphase von dieser Zieldefinition ab, hat der Planer grundsätzlich Anspruch auf einen neuen Vertrag. Es geht folglich um mehr Disziplin und um eine intensivere Auseinandersetzung auf der Besteller-Seite.
Phase 0 im praktischen Alltag
Seit dem 1. Januar 2018 gilt im BGB, dass eine honorarrechtliche Phase 0 außerhalb der HOAI stattzufinden hat, die eine sogenannte Bedarfsermittlung mit einer Kosteneinschätzung liefern soll. Phase 0 ist somit Teil einer zweistufigen Leistungs- und Planungsanforderung als „Planung der Planung“ bzw. Planungsgrundlagenphase vor dem Einstieg in die Phasen 1 bis 9. Das tatsächliche Erfordernis bestimmt somit die Leistungen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen.
Bauherren/Bauherrinnen sollten daher diese so konkret wie möglich in der Phase 0 verschriftlichen. Vertraglich zu vereinbarende Ziele könnten etwa unter folgenden Gesichtspunkten aufgeführt werden:
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Zweck des Gebäudes
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Größe
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Bezug zum Standort
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Kosten und Termine
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Qualitative Kriterien (klimaneutrale Bauweise, Konstruktion, Material, DIN 18040 Teil 2)
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Quantitative Merkmale (Bauart, Geschosse, Räume
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Formulieren der No-Go‘s
Idealerweise erreicht das Projekt möglichst schnell in Phase 1 die Planungsgrundlagen (§ 650 p.2 BGB).
Bevor die gesetzliche Regelung eingetreten ist, war lange Zeit unklar, welche Leistungen der/die Planerin ohne grundlegende Fakten (Leistungsbeschreibung) schuldet. Zudem bestand Uneinigkeit darüber, welche Rechte dem/der Auftraggeber*in zustehen, wenn der/die Planer*in vereinbarte Teilleistungen nicht erbringt.
Den wie bisher etablierten dynamischen Leistungsvertrag des Architekten/der Architektin wird es so nicht mehr geben, da er zu viel Streitpotenzial beinhaltet. Die Leistungen hängen mehr denn je von vereinbarten Zielen ab. Der/die Planer*in muss also seit dem Jahr 2018 die Planungsgrundlagen in Eigenregie schaffen, und zudem die Kosten realistisch einschätzen. Denkbar hilfreiche Utensilien hierfür sind Textformen, Planskizzen, Kennzahlen und Machbarkeitsstudien.
Dabei sind die Planungsgrundlagen formal nicht nur Teil der Grundlagenarbeit gemäß Vertrag nach HOAI. Vielmehr ist die Kosteneinschätzung per se nur eine grobe Einschätzung für Überlegungen des Auftraggebers/der Auftraggeberin, insbesondere zur Klärung von Finanzierungsfragen, die gemäß DIN 276-1/2008 von den Kostenträgern verlangt werden.
Eine Vergütung dieser hier beschriebenen Phase 0 wird nicht nach HOAI vorgenommen, sondern ergibt sich aus werkvertraglichen Grundsätzen (BGB § 650 r.3).
Was ist in der Zielfindungsphase zu beachten?
Die neue Regelung zur Zielfindungsphase ist mit einem Sonderkündigungsrecht verknüpft (BGB § 650 r). Idealerweise erhalten Auftraggeber*in und Auftragnehmer*in auf diesem Wege eine gemeinsame Vorstellung vom künftigen Projekt. Die Zielfindungsphase lässt sich aus Sicht des Auftraggebers/der Auftraggeberin derart motivieren, dass der Auftragserteilung nach HOAI eine zu vergütende Akquisitionsphase vorangeht, in der die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele geklärt werden. Ansonsten läuft der Planer ggfs. Gefahr der wirtschaftlichen Verluste. Qualitative („Ich will es schöner“-) und quantitative („Ich will es größer“-)Differenzen, die sich bisher durch die gesamte HOAI gezogen haben, werden nun in der Phase 0 im Vorfeld abgefangen. Der/die Planer*in benötigt folglich einen hohen Erfahrungsschatz.
Bei der Kosteneinschätzung muss der/die Planer*in im Vorfeld wissen, dass diese nur einen vorläufigen Kostenrahmen benennt, und darauf hinweist, dass eine Kosteneinschätzung notwendig vorläufig ist. Der/die Planer*in läuft ansonsten Gefahr, dass der von ihm genannte Betrag die vertraglich vereinbarte Kostenobergrenze bildet und er für die Einhaltung der von ihm nur vorläufig geschätzten Kosten haftet.
Um nun den Bogen erneut zum BGB zu spannen, verweisen wir an dieser Stelle auf die DIN 18205:11-2016. Denn die Bedarfsplanung liegt im Aufgabenbereich des Auftraggebers/der Auftraggeberin und verlangt eine zwingende Mitwirkungspflicht. Die Planungsgrundlage nach § 650 p BGB ist noch keine Planungsleistung im Sinne der HOAI. Demnach schuldet der/die Bauherr*in dem/der Planer*in die Planungsgrundlage. Der/die Auftraggeber*in kann die Planungsgrundlage selbst erstellen oder hierfür einen Dritten beauftragen.
Die Anwendung der Phase 0 führt sehr ausführlich zu einer raschen Klarheit was Kosten, Machbarkeit und die Realisierung der gesetzlichen Vorgaben angeht. Dabei werden ästhetische Effekte am Gebäude nicht vernachlässigt- denn ein gut entwickeltes, demenzsensibles und wohnliches Gebäude vermittelt Geborgenheit. Und darum geht es.